Ich scrolle durch die Fotos von Blumen, die du mir geschickt hast. Vorher liefst du den Hügel runter von deiner Arbeit zu deinem Zimmer und sagtest zu mir: Ich muss dir zeigen, wie schön diese Blumen hier sind. Es sind große buschige Anordnungen von Wiesenblumen, wenn du auslöst mit deiner Handykamera weißt du schon, dass es nicht rüberkommen wird, wie schön sie sind und wie sehr sie dich rühren, so sehr, dass du auf dem Weg den Berg runter immer wieder stehen bleibst, um noch eine zu fotografieren, und auch die dunklen Beeren, dass du bereit bist, zu riskieren, noch einmal versehentlich aufzulegen, so sehr, dass du, als du den rosa Klee fotografierst, für ein Versäumnis hältst, den weißen nicht auch mitgenommen zu haben. Viel später schließe ich die Tür zu meiner Wohnung auf, vom Fahrrad gestiegen, dabei öffne ich deine Nachricht und sage: die sind ja wirklich sehr schön, die Blumen. Es sind viele Bilder. Ich bewege mich durch sie, wissend, dass das letzte, das vom Klee, das Ende unseres Chats sein wird. Du liegst weit weg im Bett mit deiner Stauballergie, schniefend und ich fehle dir, weil du dich so schlecht selbst ins Bett bringen kannst. Morgens, wenn du dir dein Frühstück rührst und geduldig wartest, bis du selber sitzt, bevor du die Sprachnachricht einer Kollegin anmachst, wirst du schon unruhig darüber, dass du so viel Zeit des Tages damit verbringst, für dich selbst da zu sein wie für ein Haustier – du stellst dir das Essen hin, du machst Abends eine Ordnung, die du morgens vorfindest, du wäschst deine period pants. Du öffnest den Chat, es bist du, die deine eigene Sprachnachricht hört, die ihre eigenen Blumenbilder öffnet, sich beim durch sie Hindurchscrollen eine unendliche Folge von an sie gerichteten Bildern wünscht, ich bin den Hügel hinunter gelaufen, ich habe probehalber ein Du für mich selbst ausprobiert und mich mit meinem eigenen empathischen Blick aus deinen Augen für den Moment gut aufgehoben und fast gestreichelt gefühlt, schön, dass jemand den Eifer sieht, mit dem ich versuche, meinen alltäglichen Wegen eine Schönheit abzugewinnen, schön, dass mir jemand über die Schulter schaut, wie ich in einer fremden Stadt bei lidl ein 10er-Set Buntstifte kaufe, sieht, wie ich zuvor am Denkmal für den Todesmarsch an der Einfahrt zum Supermarkt stehen geblieben bin, mit mir den Text über die im Waggon erfrierenden, zusammengekauerten Männer liest: Nur im Tod strecken sie sich zu ihrer ganzen Länge würdig aus. Von den Zivilisten, die oben vorübergehen und scheu hinunterschauen.