Wer steht in meiner Nähe? Zu wem sende ich meinen Blick als erstes? Hoffnungsvoll, dass sich unsere Blicke wie zufällig treffen und die Partner*innenwahl so nonverbal und vorallem unkompliziert klappt. Wie wähle ich diese Person aus? Wer kommt in Frage und wer nicht? Ich will oder sollte ausstrahlen, dass ich generell offen bin mit allen Personen in diesem Raum eine Partner*innenübung mit touch zu machen, schon klar. Ich habe noch nie zu einem dieser Vereinbarungen per Blick aktiv nein gesagt. Ich weiß, dass es eher langweilig erscheint, wenn ich mit Teilnehmer*innen die Übungen machen möchte, die auch enge Freund*innen von mir sind. Aber mit Dir wäre es kein somatic match, das spüre ich. Ich werde hier gleich mindestens 40 Minuten regungslos auf dem Boden liegen und nichts tun außer offen sein und loslassen, während deine Hände auf meinem Körper ruhen. Ich mag nicht, dass Du expressive atmest und in diesem Workshop immer als erstes Rückmeldung zu deiner Erfahrung gibst oder noch eine Frage hast. Ich kenne Dich nicht und gebe Dir keine Chance meinen Eindruck zu ändern, sorry. Als Du gestern beim Check-in bemerkt hast, dass Du darüber reflektiert hast der einzige cis-männliche Teilnehmer zu sein und deswegen nochmal inviten möchtest, auf dich zuzukommen, falls es Themen oder Bedürfnisse zu besprechen gibt, antwortet die restliche Gruppe auch vorallem nonverbal: leichtes Nicken, kleines Lächeln, kurze beschwichtigende Blicke. Dann etwas zu spät ein einziges: no worries.
Ich phantasiere kurz, wie mein konkretes/ diplomatisches/ ich weiß, auch zynisches Feedback an dich lauten könnte: Hey, Danke nochmal dafür, dass Du so kritisch deine eigene Männlichkeit reflektieren möchtest. Ich stelle mir das wirklich kompliziert und anstrengend vor, aber voll super, dass Du das machst, wirklich. Auch wenn ich finde, dass dieser Job dann zwar nicht von dem restlichen FLINTA Teil der Gruppe übernommen werden sollte oder kann, wollte ich dir ein paar Tipps mitgeben. Eher bezogen auf den Raum des zeitgenössischen Trainings, weil Du meintest, du bist ja auch kein Tänzer im beruflichen Sinne. Also du könntest dein Outfit noch etwas anpassen, um more approachable zu sein. Kurze Adidas Deutschland Hose eher nicht, auch kein Bandana als Halstuch und auch kein T-Shirt mit Aufdruck “Ich bin nicht schüchtern, Ich will wirklich nicht mit Dir reden.” Ich mag es nicht, wenn ich das Gefühl bekomme, dass Du es zu sehr genießt, in der Mitte unseres Kreises zu tanzen und dir mehr Zeit nimmst als alle anderen vor und nach Dir. Ich mag es nicht, wenn sich dein lautes Ausatmen für mich performativ oder demonstrativ anhört, anstatt technisch oder notwendig. Ich mag es nicht, dass ich deine Zunge mehrmals gesehen habe.
Ich bin erleichtert, dass Du zufällig neben mir standest, als wir uns zu zweit zusammentun. Ich kenne Dich ein bisschen, aber nicht zu gut, so dass das hier eine neue experience für uns beide sein kann. Du machst mir ein Kompliment zu meinem Hemd, bevor ich meine Augen schließe und Du der Anleitung folgend Deine Hände an verschiedene Stellen meines Körpers legst. Nach 40 min des Empfangens und der Rührungslosigkeit tanze ich Dir vor, was Deine Berührung mir ermöglicht. Ich bin neu sortiert und auch ein bisschen mutig. Ich habe gemerkt, dass es für dich unbequem war, deine Hände aufzulegen und dabei im Schneidersitz zu sitzen. Als Dankeschön schaue ich dich ganz kurz an bei meinem Solo, bei dem Ihr uns, die zuerst empfangen haben, zuseht.
Du kannst Dir sicher sein, dass ich mir viel Mühe geben werde, nach dem Rollenwechsel auch Deinen Körper mindestens genauso gut zu berühren. Als fairer Tausch, same offer, hoffentlich ohne Wandlungsverlust. Auch wenn meine Hände noch warm sind vom schwitzigen 10 min Solo, reibe ich sie warm für Dich, so wie Du und so wie angeleitet.