Das Projekt beginnt damit, dass du gehst. Du kannst das machen. Wir alle könnten das machen. Für mich ist es schwerer, aufzuhören, als weiter zu machen. Für dich ist diese Entscheidung gefallen. Am ersten Abend sagst du keinen ganzen Satz. Ich lese das als Zeichen für dein Aufgewühltsein – ich sehe ja dein Gesicht im Dunkeln, ich unterdrücke meine ohnmächtige Ungeduld in den langen Pausen, in denen gar nichts nach außen dringt. Das darf jetzt eine Weile so sein. Gar nichts muss nach außen dringen. Du bist ein privater Mensch. Du musst deine eigenen Gefühle nicht produktiv machen. Du musst nicht aus dir rauskommen. Du kannst in der physical introduction, auf der Themenparty, im Gespräch mit unbekannten friends of friends abwesend herumstehen. Du musst dich nicht fragen: Ist das interessant, was ich hier gerade sage? Du bist nicht für den Flow auf der Tanzfläche zuständig. Das Wippen der anderen bedeutet für dich gar nichts. Du musst keinen Blick mehr erwidern. Du musst dich und andere nicht regulieren. Du lächelst uns an und sagst: Ich bin sicher, dass ihr das super machen werdet.

Im letzten Stück bleibst du hinter einer Lärmschutzmauer zurück. Du kehrst dem Publikum den Rücken zu, während wir enthusiastisch um dich herum schlittschuhlaufen, läufst nach hinten zu A am Keyboard, bei ihr auf dem Podest ziehst du deine Schuhe aus, deine Hose und dein nasses Shirt. Du ziehst einen trockenen rosa Pulli an. Du schaust uns zu, wie wir tanzen. Du beschreibst unseren Abbau aus dem Off. Du bist der erste, der geht.

Unser Abschied ist ein langgezogenes Workout, ein Abschied in Übungsform. Du stehst in Unterhosen auf dem Flur und schaust uns zu.

Wir diskutieren, ob es in unserer Arbeit eigentlich Rollen, Figuren gibt. Du sagst, ja, klar, ich bin der Loser.

Ich hab deinen Abschied inszeniert und du vollziehst ihn. So schlau bin ich noch, dass ich verstehe, dass ich nicht hellsehe, sondern herbeiführe.

Auf der Themenparty (Buchstabe B) trägt T eine rosafarbene Jeans und eine Wolljacke mit Flammenmuster in softem Pink, Braun und Weiß, die sie sich von ihrer Mitbewohnerin ausgeliehen hat. Ich schaue sie eine Weile freundlich rätselnd an, bevor sie mir verrät, dass sie sich als „brutzelig“ verkleidet hat. Später siehst du, wie T leicht und selten ausgelassen, ihre Haare offen auf und ab wippend, auf der Tanzfläche ihre Arme schwingt. Du sagst: Sie hätte auch gut als Burn-out gehen können.

Unser gemeinsames Leben ist ein Projekt geworden, an dem du widerwillig teilnimmst. Ich darf von dir erwarten, dass du mitmachst, nicht aber, dass du es magst. Du verkleidest dich als Boy in unserer polyamoren Boyband – deine Idee wäre das vermutlich nicht gewesen, sowie die ganze Konstellation nicht deine Idee gewesen wäre, so musst du dir dafür aber keine zusätzlichen Gedanken zu einer Veranstaltung machen, die ohnehin eine Zumutung sein wird.

Ich hab vergessen: Was wäre eigentlich deine Idee gewesen?

Weniger arbeiten. Mehr Urlaub machen. Ein Chor, Klavierunterricht. Geregelte Arbeitszeiten.

Ich schaue dich aus der Ferne an, wie du freundlich abweisend in Cordhosen herumstehst, während die Menschen um dich herum enthusiastisch, voll einatmend, barfuß in Trainingsjersey Schwingungen aufnehmen und abgeben, hier sind, um sich mitnehmen zu lassen. Ich lasse mich auch mitnehmen, nicht, weil ich für möglich halte, was die warme Stimme mir sagt: Now forget everything. Now move as if it is the first time. Ich bin gekommen, um in diesem warmen Raum mit diesen alerten Körpern Unitiy zu spüren. Ich finde in meiner eigenen Freundlichkeit Trost.

Ich zupfe an dir. Ich streichle dich. Ich will dich mitnehmen. Ich glaube, du willst nicht mehr.