Ich sitze in der Probe, höre zu, nicke konzentriert und schreibe in das Heft vor mir an dich, über dich, bin in deiner Abwesenheit so ehrlich wie ich sein kann über Dinge, die ich zur Hälfte selbst nicht weiß und die mir zur anderen Hälfte zu peinlich sind, sie auszusprechen. Ich schreibe unleserlich, damit die Beschreibungen – deiner Haut über deiner Hose, der blauen Flecken, der Vulven, des Zitterns – in den Augen der anderen zu reflexiven Texten über die Proben verschwimmen. Ich frage mich, was denkt ihr denn, was ich aufschreibe? Es geht in dieser Besprechung um irgendjemand anderes’ Part, nichts von dem, was gesagt wird, hat für meine Arbeit Relevanz und ich schreibe so emsig mit, als müsste ich Protokoll führen über jedes gesprochene Wort oder aber eben über jede Regung in mir.

Ich höre auf, wenn, was ich sagen könnte, selbst für mich zu schlimm ist, um es aufgeschrieben zu sehen. Ich kann mir selber wehtun mit dem, was ich aufschreibe. Ich muss ganz ehrlich sein, um nicht aus Leichtsinn etwas wahrzumachen, das bitte nie wahr werden soll.

Ich habe Angst vor meiner eigenen Vernichtung

Iich habe Angst vor meiner eigenen Fähigkeit zur Vernichtung.

Ich habe dir ein Rennrad ausgeliehen.

Pass auf dich auf: Ein Satz, der über Jahre der Verschluss für meine größten Ängste war. Wenn ich sage, pass auf dich auf, bevor du gehst, dann kann kein LKW neben dir ungesehen rechts abbiegen, kann dich kein Amokläufer Geisel nehmen, kann dein Rad nicht in den Schienen einer herannahenden Bahn hängen bleiben, kann dein Kopf nicht an einem Bordstein entlang schrammen, kannst du nicht ohne Ausweis in ein unauffindbares Krankenhaus eingeliefert werden, kann das Auto deiner nachtblinden Mutter sich nicht überschlagend auf die entgegengesetzte Fahrbahn legen mit dir auf dem Beifahrersitz.

Pass auf dich auf: Mein Zauberspruch, du musst ihn hören, damit er wirkt, ich muss ihn täglich erneuern, er ist eine Erinnerung an dich, dass ich hier bin und dich in der Welt brauche, gehe bitte auch nicht traurig ans Wasser, gehe bitte nicht spazieren und komme dann nicht wieder, er hilft nur gegen Unfälle, gegen das Altern und die Krankheit bin ich wehrlos außer, dass du auch nicht rauchen darfst.

Du darfst mir nicht abhanden kommen. Du darfst aus diesem zugegebenermaßen tristen Leben nicht einfach verschwinden.

Du magst diesen Satz nicht gerne hören und in letzter Zeit will ich ihn nicht mehr sagen.

Ich will plötzlich diesen Satz nicht mehr sagen. Ich fühle mich, als gebe ich dich den Gewalten preis.